Das im Vorfeld in den Medien und bei den Fanlagern viel diskutierte „kleine Derby“ zwischen den Stadtrivalen wurde von beiden Fanszenen freudig erwartet. Es stellte einerseits ein Spitzenspiel der Regionalliga, andererseits jedoch auch das einzige Aufeinandertreffen beider Münchner Traditionsvereine dar. Die Begegnung wurde zu einem fanfreundlichen Zeitpunkt angesetzt und das Stadion an der Grünwalderstraße bot 12.500 Zuschauern eine tolle ausverkaufte Fußballkulisse. Anhand der Entwicklung der Zuschauerzahlen sowie der allgemeinen öffentlichen und medialen Aufmerksamkeit ist unverkennbar, dass das Spiel zunehmend in den Mittelpunkt des Stadtgeschehens gerückt ist. Wir begleiteten beide Fanszenen während des gesamten Spieltages mit insgesamt sechs Mitarbeitern und vermittelten zwischen allen Beteiligten.
Im Folgenden möchten wir darlegen, welche Anstrengungen von Fans, Vereinen und unserer Einrichtung rund um dieses Spiel unternommen wurden, die aus unserer Sicht zu einem insgesamt betrachtet akzeptablen Spieltagsverlauf beigetragen haben.
Die Vereine, bzw. deren verantwortliche Vertreter haben nicht nur seit dem Derby im August letzten Jahres in intensiver Zusammenarbeit mit dem Sportamt, dem Kreisverwaltungsreferat, der Polizei sowie den Ordnungsdiensten, eine teils notwendige und kostenintensive Verbesserung für den Gesamtablauf eines Spieltags im Grünwalder Stadion erreicht. Die Vereinsvertreter und die Fanbeauftragten haben sich mit Fanvertretern weit im Vorfeld intensiv über die Problematiken vertraulich, aber dennoch kritisch ausgetauscht.
Die Fanszenen beider Vereine sowie deren Vertreter sind sich gewisser Problematiken durchaus bewusst gewesen bzw. geworden. Es gab gerade in den aktiven Fanszenen viele Diskussionen und auf Vernunft basierende Erkenntnisse bezüglich der Entwicklung des Amateurderbys. So veröffentlichten beide aktiven Fanszenen im Vorfeld Stellungnahmen, welche die Fanlager zur Selbstbeherrschung aufriefen, und sie informierten Anwohner sowie Geschäftsleute über ihre Treffpunkte. In teilweise vorbildlich und demokratisch geführten Diskussionsrunden wurde von ihnen die Gesamtheit dieses Derbys im Vorfeld bearbeitet. Dies kann und sollte nicht als selbstverständlich erachtet werden, geht aber leider in der aktuellen öffentlichen Diskussion unter.
Völlig unbeachtet blieb bislang auch die Tatsache, dass von beiden Fanlagern in vielen Situationen im Vorfeld des Spieles eine sehr energische Selbstregulierung bei einsetzendem Fehlverhalten durch die eigenen Fans betrieben wurde. Hierbei kann nicht unerwähnt bleiben, dass die hochprofessionell und taktisch arbeitende Polizeipressestelle in Zusammenarbeit mit den bekannten Boulevardjournalisten und anderen Medienvertretern die Schilderung und Aufbereitung der Geschehnisse gänzlich übernommen hat. Als Konsequenz daraus werden wieder einmal Stimmen laut, dass Vereine konsequenter gegen gewaltbereite Anhänger vorgehen müssen, es so nicht weitergehen könne und es jetzt an der Zeit ist, dass Fans und Vereine in der Pflicht sind, dass es zukünftig keine Probleme mehr gibt, Zuschauerkontingente reduziert werden müssen oder sogar das Derby in die Arena verlegt werden muss. Als erste vermeintlich überhastet erscheinende Reaktion wird ein neuer Runder Tisch von Vereinen, Verband und Polizei ins Gespräch gebracht. Doch ist es nicht vielmehr an der Zeit sich einmal sachlich und konstruktiv mit den Ereignissen rund um das Derby zu befassen? Es sollen Fußballspiele heutzutage einerseits attraktive Massenevents sein, andererseits wird jedoch jegliche Art von sozial abweichendem Verhalten der Fans sehr schnell als kriminell dargestellt.
Das Fanprojekt München steht seit jeher unter anderem für Vermittlung, Kommunikation und Vertrauen. Die bereits existierenden „Runden Tische“ und „Dialogforen“ von Verbänden und Polizei werden von uns begrüßt und stets wahrgenommen, jedoch in der Regel leider speziell von den ultraorientierten Fangruppen ignoriert. Sei es aus überregionalem Gruppenzwang oder der einfachen Erkenntnis ihrerseits, dass solche Gesprächsrunden oft zu keiner merklichen Veränderung führen. Diese Treffen werden vielmehr als Showveranstaltung der Ausrichter bzw. der Polizei wahrgenommen. Es gab aber dennoch Treffen, an denen Fanvertreter teilgenommen haben. Darüber hinaus wurden die im Vorfeld ausgeschlagenen Möglichkeiten einer direkten Kommunikation auf Augenhöhe mit den Verantwortlichen der Polizei und der Fanszene durch unsere Vermittlerrolle insofern kompensiert, als dass wir und die Vereinsverantwortlichen die Gesprächsinhalte selbstverständlich in die Szenen hinein transportiert haben. Seit dem vergangenen Aufeinandertreffen der beiden Stadtrivalen im Sommer letzten Jahres fand somit, wie bereits erwähnt, eine intensive und kritische Auseinandersetzung der jeweils vereinszugehörigen Fangruppen mit der Entwicklung vor, während, und nach diesem Spiel statt. Die Mitarbeiter des Fanprojektes, die Fanbetreuer der Vereine sowie einige Fanvertreter waren maßgeblich an der einsetzenden Reflektion beteiligt. Weil wir, die Mitarbeiter des Fanprojektes diesen Prozess wohlwollend, intensiv aber auch kritisch begleitet haben, konnten wir in den zahlreichen Gesprächsrunden mit Behörden und Vereinsvertretern unseren Standpunkt einfließen lassen. Kurz vor dem Derby legten wir nochmal unsere Standpunkte dar und appellierten u.a. in der öffentlichen Stellungnahme vor allem an die Medien und an die Fanszenen beider Lager, verantwortungsvoll und weitsichtig mit ihrer Rolle umzugehen.
Wir ziehen für uns das Fazit, dass die Fanbetreuungsarbeit durch die Vereine einerseits und durch unseren sozialpädagogischen Ansatz andererseits gefruchtet hat. Genau dies darf in der aktuellen Sicherheitsdebatte rund um das Münchner Amateurderby nicht untergehen. Es ist daher unserer Meinung nach nicht angebracht, dass jetzt erneut der Druck auf Fans und Vereine erhöht wird. Wir würden uns vielmehr wünschen, dass zukünftig ein sachlicherer Umgang mit dieser Thematik erfolgt. Es wäre sehr begrüßenswert, wenn sich die Stadtratsfraktionen in objektiver und interessierter Weise, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Netzwerkpartnern hierüber austauschen. Des Weiteren bitten wir die für uns zuständigen und verantwortlichen Mittelgeber, sich aus Eigeninteresse und Verantwortung gegenüber der von uns zu erwartenden Arbeit, um regelmäßigen Austausch und darum, uns gemäß unseres Arbeitsauftrages wahrzunehmen, sowie in die Diskussion zu bringen.
Zum Abschluss möchten wir nochmals die Besonnenheit und präventive Arbeit aller Beteiligten des Fußballspiels positiv hervorheben. So wünschen wir uns für die nächste Begegnung ein positives Ereignis der Münchner Fußballkultur an einem für beide Vereine historischen Ort.
Fanprojekt München - April 2015